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Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Unmittelbar nach Verfassung meines letzten Artikels in der ISR zum Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung (siehe ISR 6/2024, S. 39) hat die EU überraschend zurückgerudert. Mit dem sogenannten Sustainability Omnibus Package möchte sie angesichts harter globaler Konkurrenz und multipler geopolitischer Krisen Unternehmen in der EU entlasten und deren Wettbewerbsfähigkeit stärken. Geplant ist eine Reduzierung der Bürokratie für Unternehmen um 25 %, wobei insbesondere die Berichtspflichten für kleine und mittlere Unternehmen um 35 % gesenkt werden sollen. Allein diese Maßnahmen sollen Einsparungen von 37 Mrd. Euro zur Folge haben. Spannend wird sein, wie eine prozentuelle Einschränkung von Bürokratie konkret gemessen werden soll.
Eine der gravierendsten Änderungen betrifft die Regeln zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen: Zukünftig müssen nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden berichten. Damit fallen wohl so gut wie alle bisher berichtspflichtigen Seilbahngesellschaften aus dem System heraus. Auch die EU-Taxonomie, die festlegt, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig gelten, wird gelockert. Künftig soll sie nur noch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Umsatz von über 450 Mio. Euro gelten.
Diese Maßnahmen können jedoch nur ein erster Schritt sein. In Zukunft müssen die Auswirkungen neuer EU-Rechtsakte auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit und auf kleine und mittlere Unternehmen deutlich stärker in den Folgenabschätzungen, im EU-Gesetzgebungsprozess und in Ex-Post-Evaluierungen berücksichtigt werden.
Thema Geoblocking Verordnung
Ein weiteres Thema, das die Seilbahnwirtschaft bereits länger beschäftigt, hat im vergangenen Jahr durch konkrete Beschwerden von Gästen und die Androhung empfindlicher Strafen – bis zu 720 Euro pro Fall – neue Brisanz erhalten:
die Geoblocking-Verordnung der EU. Diese hat zum Ziel, eine ungerechtfertigte Diskriminierung aufgrund von Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Niederlassung innerhalb des Binnenmarktes zu verhindern. Es sollen also Verbraucher innerhalb des Binnenmarkts nicht aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt werden. Obwohl die Standesvertretung der österreichischen Seilbahnen die Politik bereits früh auf das Risiko eines Verbots der Einheimischen-Ermäßigung hingewiesen hatte, blieben ernsthafte Lösungsansätze aus. Der Verweis auf die Dienstleistungsrichtlinie, wonach es sich bei Seilbahnen um Verkehrsdienstleistungen handelt, die von der Verordnung ausgenommen sind, wurde durch juristische Rechtsgutachten widerlegt. Diese kamen zum Schluss, dass Seilbahnen, deren Hauptgegenstand in überwiegend touristischen oder (winter-)sportlichen Zwecken liegt, die also der Ermöglichung des Fremdenverkehrs und der Freizeitgestaltung dienen, keine Verkehrsdienstleistungen im Sinne der Dienstleistungsrichtlinie sind.
Als der VKI, der Verein für Konsumenteninformation, schließlich eine Klage gegen das Freizeitticket, einem Ticket für die Tiroler Bevölkerung, einbrachte, war der Aufschrei groß. Besonders aktiv zeigte sich die Arbeiterkammer, die, obwohl eng mit dem VKI verbunden, sich plötzlich als Anwalt für die Tiroler Bevölkerung inszenierte und nun sogar ein gesetzliches Verbot der Diskriminierung Einheimischer gegenüber Gästen fordert. Dabei wird ausgeblendet, dass Gästekartenvergünstigungen über Einnahmen aus der Kurtaxe und der Tourismusabgabe – also von den Gästen selbst – finanziert werden.
Für die Seilbahnbetreiber haben Einheimischen-Ermäßigungen jedoch eine zentrale Bedeutung und dadurch ein großes Interesse an deren Weiterbestand. Es muss unser Ziel sein, möglichst viele Menschen aus unserer Umgebung auf den Berg zu bringen. Denn wer diesen Sport selbst ausübt, wird Projekten der Betreiber größeres Verständnis und mehr Akzeptanz entgegenbringen. Daneben wird die einheimische Bevölkerung vom Tourismus auch gefordert und hat dessen negative Auswirkungen zu tragen. Und nicht zuletzt hat die Bevölkerung durch ihre Steuern und Abgaben oder Beteiligungen an den Unternehmen die Errichtung von Seilbahnanlagen und die damit zusammenhängende Infrastruktur erst ermöglicht.
Ein eindrucksvolles Beispiel dafür liefert IschgI:
Als in den 60er-Jahren eine Seilbahn geplant wurde und alle Gutachten negativ ausfielen, war die Suche nach Investoren erfolglos. Die damals arme Gemeinde und ihre Bürger brachten daraufhin selbst das vom Ministerium geforderte Eigenkapital auf. Die Entbehrungen meiner Vorgängergeneration sind die Rendite von heute – ein Akt gelebter Selbstverantwortung und unternehmerischer Weitsicht. Und wie sehr die einheimische Bevölkerung den Seilbahnern am Herzen liegt, haben sie nicht zuletzt in der fordernden Corona-Zeit unter Beweis gestellt, als sie wirtschaftliche Einbußen in Kauf genommen und der einheimischen Bevölkerung ihren geliebten Sport trotz Aussperrung der Gäste ermöglicht haben.