Absicherung der Pistenränder

04.06.2025 | Expertise

Gerade in schneearmen Wintern sollten Betreiber verstärkt den Pistenrand im Auge haben, da es bei Stürzen von Wintersportlern auf der Piste immer wieder vorkommen kann, dass diese danach in das freie (und eventuell schneearme) Gelände neben der Piste rutschen können. Dazu sei anhand eines konkreten Beispiels auf die wesentlichen Pflichten, wie sie sich aus der Rechtsprechung ergeben, hingewiesen.

Der (spätere) Kläger verletzte sich schwer, als er nach einem Sturz auf einer Piste unter einem Fangnetz hindurchrutschte. Der Unfall ereignete sich im Bereich einer langgezogenen leichten Linkskurve. In diesem Bereich war außerhalb des erkennbaren Präparierungsrands und parallel dazu ein Sicherheitsnetz gespannt. Dieses Sicherheitsnetz war an Metallstehern befestigt, die Abspannbefestigung des Netzes erfolgte durch stählerne Bodenanker. Zwischen der Netzunterkante und der Schneeoberfläche befand sich ein Spalt von bis zu einem halben Meter. Als sich der Kläger der Unfallstelle näherte, stürzte er aufgrund eines (eigenen) Fahrfehlers. Nach einem längeren Sturzweg sowie dem Durchrutschen unter dem Fangnetz kollidierte er dann mit einem ungesicherten Bodenanker, wodurch er schwer verletzt wurde.

Sicherungspflicht allenfalls auch außerhalb des Pistenrands

Die Gerichte haben in diesem Fall entschieden, dass ein Betreiber verpflichtet ist, dort entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wo dem Wintersportler durch nicht oder schwer erkennbare Hindernisse Gefahren drohen. Daher hat er Gefahren zu sichern, die ein Wintersportler nicht ohne Weiteres erkennen und die er trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann. Diese Verpflichtung erstreckt sich bekannt­lich auch auf den Pistenrand, weil mit Stürzen darüber hinaus jederzeit – also auch bei mäßiger Geschwindigkeit – zu rechnen ist. Atypische Gefahrenquellen sind daher – innerhalb der Grenzen des Zumutbaren – auch dann zu sichern, wenn sie sich knapp außerhalb der Piste befinden.
Schafft der Betreiber allerdings außerhalb der Piste selbst ein (künstliches) Hindernis, muss er dieses entweder entfernen oder entsprechend absichern, sodass es (wenn damit zu rechnen ist, dass Wintersportler in diesem Bereich von der Piste abkommen könnten) für Durchschnittsfahrer keine ernstliche Gefahr darstellt. Nach herrschender Rechtsprechung stellt ein Fangnetz an ungesicherten Stehern eine „neue“ und erhebliche Gefahrenquelle für stürzende Wintersportler dar, da die Kollision mit diesen Stehern zu erheblichen Verletzungen führen kann. Daher muss diesen Gefahren durch eine Polsterung und Ummantelung der Steher begegnet werden.
Bei diesem Fall sind die Gerichte von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Stürzen über den Pistenrand hinaus – und folglich in das Fangnetz – ausgegangen: Aufgrund des Geländes musste der Betreiber damit rechnen, dass die Wintersportler die Linkskurve mit höherer Geschwindigkeit durchfahren, um ein Anschieben bei der anschließenden Steigung zu vermeiden. Dabei geraten sie zwangsläufig in den Nahbereich des Netzes. Schon der Umstand, dass dort überhaupt ein Fangnetz angebracht war, zeigt für die Gerichte, dass auch der Betreiber die (mögliche) Gefahr eines Hinausrutschens stürzender Wintersportler über den Pistenrand erkannt hat.
Hinzu kommt, dass die Absicherung der verletzungsträchtigen Bodenanker in diesem Fall auch ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre: Es hätte nur das bereits vorhandene Fangnetz nach unten hin bis zur Schneeauflage abgespannt werden müssen, sodass abrutschende Wintersportler darin „abgefangen“ werden. Generell haben die Gerichte bereits wiederholt ausgesprochen, dass Fangnetze bis zum Bodenniveau hin zu spannen sind, um ein Durchrutschen zu verhindern.
In diesem Fall bestanden angesichts der Position des – zudem künstlich geschaffenen – Hindernisses an der Kurvenaußenseite und des Umstands, dass aufgrund der Geländebeschaffenheit damit zu rechnen war, dass Wintersportler vor der betreffenden Passage noch Schwung holen, um nicht anschließend anschieben zu müssen, aber auch mit Blick auf die Ausführung des ungesicherten Bodenankers (der bei ­einem Anprall erhebliche Verletzungen befürchten lässt) für die Gerichte keine Zweifel, dass dieser Bodenanker hätte gesichert werden müssen.

Das Ergebnis

Die Gerichte sind in diesem Verfahren zu dem Ergebnis ­gekommen, dass der Sturz selbst vom Pistenhalter nicht hätte vermieden werden können (und dass ihm hier kein Vorwurf zu machen sei), dass aber die Verletzungen des Wintersportlers bei einer Abspannung des Netzes bis hinunter auf die Schneeoberfläche und bei einer Absicherung des Bodenankers „leichter“ ausgefallen wären.
Daher muss im weiteren Verfahren geklärt werden, welche Verletzungen der Wintersportler auch bei einer korrekten Abspannung des Netzes bis auf die Schneeoberfläche erlitten hätte – für diese haftet der Betreiber nicht. Für die darüber hinausgehenden „schwereren“ Verletzungen – als Folge des Durchrutschens unter dem Netz – haftet der Betreiber allerdings.
Zusammengefasst ergibt sich aus dieser Entscheidung die Notwendigkeit, Fangnetze regelmäßig zu kontrollieren und – wenn sich unter ihnen ein „Spalt“ bildet – wieder bis zur Schneeoberfläche nachzuspannen.

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